Interview Simon van Esch
“Die Liebe meines Vaters zum Metall, zum Detail und zur Handwerkskunst lebt im Familienunternehmen weiter”
Drei Generationen, zwei Marken, ein Familienunternehmen: Geschäftsführer Simon van Esch blickt auf die interessante Geschichte von Functionals und van Esch zurück. Von mehr als 7,5 Millionen Kleiderhaken bis hin zu besonderen Kooperationen und die bevorstehende Verschmelzung der zwei Marken.
HJW van Esch
“Mein Vater, HJW van Esch, achtete sehr aufs Detail. Er war ein echter Fachmann. Nach seiner technischen Ausbildung in Tilburg spezialisierte er sich als Silberschmied in Schoonhoven. Seine erste Anstellung hatte er bei einer Firma, die Kirchenkunst anfertigte: vom Taufbecken bis zum Kerzenleuchter. Später arbeitete er bei BeFo und bei Van den Bos Handelscompagnie. Zunächst als Silberschmied, später als Betriebsleiter.”
“Bei Van den Bos lernte mein Vater Willem Burg kennen, den Leiter des technischen Dienstes. Gemeinsam entwickelten sie das Garderobenprogramm WIBÖRG. Schließlich sahen sie die Chance, für sich selbst zu beginnen und ihre eigene Garderobenlinie zu starten. Sie gründeten die Firma AESTIC PRODUKTEN. Die ersten Garderoben wurden im Keller unserer Wohnung angefertigt. Ich kann mich noch daran erinnern, wie wir als Kinder dort spielten, während mein Vater Garderoben zusammenschraubte.”
van Esch Metaal
“Die Garderoben meines Vaters waren unverwüstlich. Das zeigte sich vor 25 Jahren, als wir in einem Fotostudio in Moergestel (Niederlande) Produktfotos für van Esch machen ließen. Beim Betreten des Raums bemerkte ich sofort die Wandgarderobe meines Vaters aus den 1960er Jahren. Das Fotostudio befindet sich im ehemaligen Rathaus von Moergestel, einem der ersten Kunden meines Vaters und Willem Burgs. Heute, nach 60 Jahren, hängt die Garderobe übrigens immer noch dort.”
“Im Jahr 1972 trennten sich Willem Burg und mein Vater, und mein Vater ging selbstständig weiter. Er tat dies unter dem Namen ‘van Esch metaal’. Er musste wieder bei Null anfangen. Mein Vater arbeitete im Auftrag anderer Unternehmen und ergriff jede Chance, die sich ihm bot. Er baute nicht nur Metallkonstruktionen, sondern auch Gewächshäuser aus Aluminium. Aber Metall war immer die Basis.”
Pastoe und Solarien
“Auf einer niederländischen Zuliefermesse erregte der Stand meines Vaters die Aufmerksamkeit von Cees Braakman, dem Designer von Pastoe. Er war beeindruckt von einer Rohrkonstruktion, die auf besonders schöne und präzise Weise rechtwinklig zusammengeschweißt war. Er fragte, ob mein Vater sie auch in Aluminium herstellen könne. Und so geschah es. Von da an fertigte mein Vater Tische und Stühle für Pastoe an. Einer dieser Stühle steht immer noch hier im Büro.”
“Wir haben eine Weile für Pastoe gearbeitet, aber nach einem Jahr blieben die Aufträge plötzlich aus. Es gab keinen schriftlichen Zuliefervertrag. In unserem Lager gab es aber noch einen riesigen Vorrat an Aluminiumrohren. Der Buchhalter meines Vaters kam auf die Idee, Solarien herzustellen. Diese hatte er auf einer Messe in Deutschland gesehen. Und so wurden die für Pastoe eingekauften Rohre als Komponenten für Solarien verwendet. Unter dem Namen Helios wurden wir zu einem führenden Solarienhersteller in den Niederlanden.”
Garderobenspezialist
“Mein Bruder Ad und ich traten schon als junge Männer in das Unternehmen ein. Ad war damals 18 Jahre und ich 21 Jahre alt. Ad war für die Produktion und Organisation zuständig, ich kümmerte mich um den Verkauf und das Marketing. Wir sind zwei unterschiedliche Charaktere, die sich gegenseitig ergänzen. Manchmal sage ich, dass wir beide an der van-Esch-Universität ausgebildet wurden: ‘learning bij doing’. Im Jahr 2013 beschloss Ad, einen Schritt zurückzutreten. Sein Sohn Kevin arbeitet jetzt ebenfalls im Familienunternehmen und bekleidet als Co-Geschäftsführer die gleiche Funktion wie sein Vater. Ich nennen ihn manchmal scherzhaft ‘Reserve-Ad’.”
“In den frühen 1980er Jahren stellten wir sowohl Solarien als auch Garderoben her. Die Gesundheitsrisiken von Solarien machten immer mehr Schlagzeilen, und wir wollten eigentlich am liebsten Garderoben herstellen, in der ursprünglichen Tradition nach der Idee meines Vaters. Also beschlossen wir, uns ganz auf Garderoben und Garderobensysteme zu konzentrieren. Es war ein Wendepunkt für van Esch. Wir wurden zum Garderobenspezialisten. Stellen Sie sich vor: in 50 Jahren haben wir 7,5 Millionen Garderobenhaken hergestellt.”
Gerard Kerklaan und Die Zweite Generation
“Eines unserer ersten Garderobensysteme war Tertio von Gerard Kerklaan. Wir stellen dieses System heute noch her. Gerard war für das Familienunternehmen von besonders großem Wert. Er war nicht nur ein Designer, sondern auch ein sehr guter Verkäufer. Ein kreativer Tausendsassa. Er hat uns viel beigebracht und uns nachhaltig geprägt.”
“Im Jahr 1988 übernahmen mein Bruder und ich den Betrieb. Mein Vater hatte das Gefühl, er müsse Raum für uns schaffen, auch finanziell. Das Unternehmen lief damals nicht sehr gut. Ad und ich wussten: Jetzt liegt es an uns. Wir waren fest entschlossen, das Fortbestehen des Familienunternehmens zu sichern.”
Über die Grenze
“Anfang der 1990er Jahre nahmen wir an einem Projekt zur Exportförderung teil. Wir wählten zehn unserer meistverkauften Produkte aus, die in Versandkartons passten. Diese haben wir einigen ausgewählten Unternehmen in Deutschland vorgestellt. Mit unmittelbarem Erfolg. Viele dieser deutschen Wiederverkäufer gehören bis heute zu unseren Kunden. In den vergangenen Jahren haben wir unsere Verkaufsaktivitäten auf mehr als 38 Länder ausgedehnt: von Skandinavien bis Australien. Der Export macht inzwischen mehr als die Hälfte unseres Umsatzes aus.”
“Design wurde immer wichtiger. Wir wollten Produkte mit einem hohen Designfaktor anbieten können. Also suchten wir die Zusammenarbeit mit namhaften Designerinnen und Designern. Unsere erste Zusammenarbeit im Jahr 1996 war mit Axis Design in London. Der daraus resultierende Garderobenständer wurde später in der Bank of England genutzt und stand sogar im Büro von Königin Maxima. Seitdem haben wir stets die Zusammenarbeit mit Designerinnen und Designern gesucht. Fachleute, die genau wie wir Wert auf schönes Handwerk und schlichte Schönheit legen.”
Functionals
“Die Zusammenarbeit mit Designerinnen und Designern eröffnete viele neue Möglichkeiten. Vom Tisch bis zur Beleuchtung. Das hat uns sehr inspiriert, aber wir waren der Meinung, dass diese Produkte nicht zum Garderoben-Superspezialisten van Esch passt. Also gründeten wir 2009 Functionals, das Label für eigenwilliges Design. Auf zwei A4-Blättern machten wir einen Plan: Wir wollten Einrichtungsobjekte für echte Designliebhaber herstellen. Das Publikum war begeistert.”
“Wer an Functionals denkt, denkt an den Lloyd Table des Designers Christoph Seyferth. Ich habe den Tisch zum ersten Mal im Lloyd Hotel in Amsterdam gesehen und dachte: Das ist ein echtes Functionals-Produkt. Aus Metall, mit schönen Details. Nachdem ich herausgefunden hatte, wer der Designer war, habe ich Christoph kontaktiert. Wir konnten uns schnell einigen. Heute ist der Lloyd Tisch eine Dutch-Design-Ikone. Mit Christoph arbeiten wir bis heute sehr gerne. Wir sprechen dieselbe Designsprache: Seine Arbeit ist zeitlos, mit einem Augenmerk auf Handwerkskunst und die Essenz purer Materialien. Er ist auch der Designer hinter den Functionals-Stühlen Wendela, Emil Rosi und Miller.”
Products for places where people meet
„Auch van Esch entwickelte sich weiter. Wir verlegten unseren Fokus auf ‘Products for places where people meet’. Denn wer gut empfangen wird, fühlt sich vom ersten Moment an willkommen. Diese Vision umfasst nicht nur Garderobensysteme, sondern auch Produkte wie Vitrinen und Abfalltrennbehälter. Beispielsweise unser Bestseller Ditch. Wussten Sie, dass dieses Abfallsystem in den Büros von Apple steht?”
Die Verschmelzung
“Im Januar 2025 werden van Esch und Functionals unter dem Markennamen Functionals zu einer starken einheitlichen Marke verschmelzen. Dem ging ein langer Prozess voran. van Esch und Functionals sind in den letzten Jahren immer näher zusammengerückt. Aber es braucht Zeit, bis man es wagt, unter einem einheitlichen Namen weiterzumachen. Jetzt fühlt es sich wie ein natürlicher Schritt an, der viel Raum für neue Möglichkeiten schafft.
Natürlich schmerzt es auch ein wenig, den Namen van Esch loszulassen. Wir haben diesen Namen 50 Jahre lang mit Leib und Seele verkörpert. Aber wir machen diesen Schritt mit Vertrauen. Es gehörte schon immer zu den Stärken unseres Familienunternehmens, sich auf neue Entwicklungen und Möglichkeiten einzustellen.”
Organising Spaces
“So lautet das Versprechen der neuen Functionals-Marke. Wir glauben daran, dass komfortables Arbeiten und Wohnen mit aufgeräumten und geordneten Räumen beginnt. Denn eine gute Organisation schafft Ordnung und Platz, und das nicht nur im Raum, sondern auch im Kopf. Wir helfen, Räume zu organisieren. Das kann in einem Büro sein, aber auch in einer Privatwohnung oder in einem öffentlichen Gebäude.”
“Ab Januar 2025 gewähren wir 25 Jahre Garantie auf unsere Produkte. Das ist einmalig in unserer Branche. Ich sehe das als eine logische Konsequenz unserer Qualität. Qualität ist die Grundlage unserer Arbeit.”
Von Architekten geprägt
“Als Unternehmen wurden wir von Architekten geprägt. Wir verstehen die Anforderungen, die sie an ein Produkt stellen. Es muss langlebig und zweckmäßig sein. Die Details müssen stimmen. Es darf keinen Widerstand hervorrufen. Unsere Produkte zeichnen sich durch ihre Einfachheit aus und fügen sich nahtlos in ein Gebäude ein. Das ist eine Sprache, die wir perfekt beherrschen.”
“Es ist eine große Ehre, wenn Architekten unsere Produkte wählen. Wir haben mit Namen wie Rem Koolhaas, Jean Nouvel, Eduardo Souto de Moura und Philippe Starck zusammengearbeitet. Und bei der Erneuerung des Rijksmuseums auch mit Cruz y Ortiz. Für das Museum haben wir sogar einen speziellen Kleiderbügel entwickelt: den Tubulus 100.”
Garderobe HJW
“Wir haben diesen Garderobenständer HJW letztes Jahr zu Ehren des 50-jährigen Jubiläums von van Esch auf den Markt gebracht. Die Stahlgarderobe HJW ist eine Ode an meinen Vater. Die ‘Kreuzung’, wo die drei Elemente aufeinandertreffen, symbolisiert seine Leidenschaft für Handwerk und Präzision. Die drei Elemente symbolisieren die drei van-Esch-Generationen. Jedes Element ist auf der Innenseite mit einer Initiale meines Vaters versehen.”
Eine eigene Fabrik
“Unsere Büros und unsere Fabrik in Goirle befinden sich unter einem Dach. Hier arbeiten 25 Personen. Die Liebe meines Vaters zum Detail, zum Metall und zur Handwerkskunst ist in der Werkstatt immer noch spürbar. Wir benutzen immer noch verschiedene Maschinen aus seiner Zeit. Unser Garderobenständer Dodici ist ein gutes Beispiel dafür. Die Garderobe besteht aus vier Metallständern, die oben und unten von einem Element erfasst werden und die in unserer Fabrik nahtlos zusammengeschweißt und geschliffen werden. Als ob sie aus einem einzigen Stück Stahl angefertigt ist. Sie ist das perfekte Beispiel für unser Handwerk. Es geht um die Details, die Details und die Details, sage ich oft.”
Die dritte Generation und Die Zukunft
“Ich habe meinen Kindern immer gesagt: Im eigenen Familienbetrieb zu arbeiten ist eine Chance, aber fühlt euch nicht verpflichtet. Wenn es euch Freude macht, unterstütze ich euch dabei. Denn ich weiß selbst, wie glücklich es einen machen kann, wenn man Dinge tut, die zu einem passen. Zwei meiner drei Kinder – Madelief und Felix – arbeiten jetzt im Unternehmen, zusammen mit Kevin, dem Sohn meines Bruders Ad. Mein Sohn Isidoor hat einen anderen Weg gewählt und hat ein eigenes Unternehmen gegründet. Auch das macht mir Freude. Wir sind eine geschäftstüchtige Familie.”
“Ich hoffe, die dritte Generation hat genauso viel Spaß an dieser Aufgabe wie ich. Daran, dass man ein Unternehmen nach seinen Vorstellungen gestalten kann und persönliche Erfüllung findet. Es ist toll zu sehen, dass die eigenen Produkte geschätzt und in den schönsten Projekten der Welt eingesetzt werden. Eigentlich ist unsere Arbeit ein Privileg.”